Julia M., Referatsleiterin


Julia M. – Referatsleiterin

Studienabschluss: Archiv (B. A.), Informationswissenschaften (M. A.)

Bildquelle: privat

Stellen Sie sich und Ihren Beruf bitte kurz vor.

„Ich arbeite im Brandenburgischen Landes­haupt­archiv (BLHA) in Potsdam. Seit 2016 bin ich dort als Referats­leiterin für alle Fragen zu­ständig, die sich mit der Digitali­sierung und der digitalen Repräsentation von Archiv­gut be­schäftigen.“


Beschreiben Sie bitte Ihre Arbeit: Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus?

„Das Referat wurde mit meiner Ein­stellung neu ge­schaffen. Ich baue diesen Bereich auf und das ist sehr viel­seitig und abwechslungs­reich, d.h. einen ‚typischen‘ Arbeits­tag gibt es in dem Sinne für mich nicht.

Haupt­aufgabe ist für mich im Moment die Er­arbeitung eines Digitali­sierungs­konzepts für das BLHA, dafür denke ich – grob gesprochen – über die Ver­gabe von Datei­namen, die An­schaffung von Scannern, Speicher­orte und Work­flows nach. Daneben be­schäftigten mich die vielen aktuellen Auf­gaben aus dem Tages­geschäft: Das können Be­sprechungen zu an­stehenden Digitali­sierungs­projekten, Auftrags­vergaben, aber auch so konkrete Dinge wie die Möbel­ausstattung der Digitali­sierungs­werkstatt sein.

Das Digitali­sierungs­labor der Fach­hoch­schule Potsdam ist übrigens für mein Referat ein wichtiger Kooperations­partner, mit dem Ab­schluss eines Forschungs­vertrags Ende 2016 ist es dem BLHA und der Fach­hoch­schule Potsdam ge­lungen, die Zusammen­arbeit zu festigen, was mich sehr freut.“


Warum haben Sie sich für den Studiengang Archiv entschieden?

„Meine Ent­scheidung für das Archiv­studium kam ein bisschen auf Um­wegen. Aber Ausgangs­punkt war mein Interesse für Geschichte im All­gemeinen und die Regional­geschichte Potsdams im Besonderen.

Das Archiv­studium bot aus meiner Sicht einen ganz praktischen Zugang dazu, ohne sich wie im Geschichts­studium zu sehr auf einen Schwer­punkt speziali­sieren zu müssen. Im Studium habe ich dann ge­lernt, dass die Archiv­land­schaft noch viel­fältiger ist, als ich zu Be­ginn an­nahm, und somit auch die Auf­gaben, die sich mit der Be­wahrung von Archiv­gut ver­knüpfen.“


Schildern Sie bitte Ihren beruflichen Werdegang: Wie sind Sie zu Ihrem jetzigen Beruf gekommen?

„Die Studien­zeit habe ich intensiv ge­nutzt, um mich in der Archiv­welt um­zu­sehen, vor allem auch im Aus­land: Ich hatte die Möglich­keit in Prag (Tschechien) und Sibiu (Rumänien) ein Prak­tikum zu ab­solvieren. Meinen Berufs­einstieg habe ich mit einer Projekt­stelle im Geheimen Staats­archiv ge­macht.

Nach einer weiteren Be­schäftigung in der Berlinischen Galerie, Abteilung Künstler-Archive, hatte ich das große Glück, meine jetzige Stelle zu be­kommen. ‚Großes Glück‘ deshalb, weil meine jetzige Tätig­keit inhalt­lich so ziemlich genau meiner Aus­bildung als Informations­wissen­schaftlerin, also dem Master­studium an der Fach­hoch­schule Potsdam, ent­spricht.“


Was fasziniert Sie an Ihrer Tätigkeit?

„Zum einem fasziniert mich – wie wohl die meisten der Archivare und Archiva­rinnen, nehme ich an – der viel be­schworene ‚Zauber des Originals‘. Auch wenn es vielleicht etwas ab­ge­droschen klingt, aber sobald man ein spannendes Dokument in der Hand hält, ist er da! Meine Auf­gabe im Archiv besteht ja im Wesent­lichen darin, Zugang zu genau diesen Originalen zu schaffen, nicht nur für die Be­arbeitung im Lese­saal, sondern auch für die Online-Bereit­stellung.

Die Digitali­sierung bietet durch Meta­daten und Images eine Viel­zahl an Möglich­keiten, das Archiv­gut noch besser zu ver­knüpfen und damit noch intensiver nutz­bar zu machen. Diese Möglich­keiten für das BLHA zu ent­wickeln und um­zu­setzen, das be­geistert mich an meiner Tätig­keit.“


Was erleben Sie als Herausforderung bei Ihrer Tätigkeit? Was macht das ganze eventuell schwer?

„Für die Frage­stellungen der Digitali­sierung gibt es keine Standard­antworten. Dafür ist die Auf­gabe zu komplex, aber auch zu jung im Ver­gleich zu anderen Auf­gaben, wie z.B. der Er­schließung im Archiv. Es gibt auch immer noch Vor­behalte gegenüber der Online-Repräsentation von Schrift­gut: Diese sind zum Teil berechtigt, zum Teil auch nicht. Die Heraus­forderung ist, die Skeptiker mit einem guten Er­gebnis zu über­zeugen.“


Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, das Sie während Ihres Studiums für Ihren aktuellen Beruf gelernt haben?

„Bezogen auf meine heutige Auf­gabe waren es vor allem die Seminare und Vor­lesungen, in denen es um Daten­banken, Web­techno­logie, Digitali­sierung, Meta­daten usw. ging. Auch wenn ‚XML‘, ‚Access‘, ‚OAIS‘ & Co. vielleicht nicht die Themen sind, die man als erstes mit einem Archiv in Ver­bindung bringt, wurden in diesen Seminaren die Grund­lagen ge­legt, die ich heute für meine Arbeit brauche.

Doch ohne ein Ver­ständnis für die Kern­aufgaben, Verwaltungs­geschichte, histo­rischen Zusammen­hänge, Kennt­nisse in den Hilfs­wissen­schaften, Techniken des Projekt­manage­ments, Diskussionen über die Wissens­gesell­schaft u.a. hätten die technischen Kennt­nisse über die Informations­bereit­stellung keinen fach­lichen Unter­bau. Es gehört am Ende doch alles zusammen.“


Gibt es etwas im Studium, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

„Weil es mir besonders viel Spaß gemacht hat, denke ich oft an das Paläografie-Seminar im Studium. Das war gut. Auch die Projekte, die im archiv­pädagogischen Bereich oder im Interflex-Programm stattfanden, waren lehr­reich – nicht nur bezüg­lich der In­halte, sondern auch was die Zusammen­arbeit in einer Arbeits­gruppe an­geht.

Als 2009 das Archiv in Köln ein­ge­stürzt ist, sind wir mit einer Gruppe von Studierenden hin­ge­fahren, um dort im Erst­versorgungs­zentrum eine Woche lang bei der Grob­reinigung und Erst­ver­zeichnung der ge­borgenen Akten zu helfen. Das bleibt un­ver­gessen, denn so traurig der An­lass war, so ein­malig war er auch.“


Was sollte man an Interessen bzw. Fähigkeiten für dieses Berufsfeld mitbringen, im Studium erwerben oder sich gegebenfalls durch Zusatzqualifikationen aneignen?

„Wenn man so will, ist Archiv­gut eine Viel­zahl von Informa­tionen, die organi­siert, struktu­riert und ver­knüpft werden sollen. Diese Auf­gabe hat im Grunde kein Ende, da die Über­nahme von Akten in das Archiv eine an­haltende, gesetz­lich ver­ankerte Auf­gabe ist.

In An­betracht dessen ist es sicher eine gute Voraus­setzung, wenn man Freude am struktu­rierten und ver­netzten Denken und Arbeiten hat und eine gewisse Sensi­bilität für den un­wieder­bringlichen Wert der Originale mit­bringt, mit denen man es zu tun haben wird – egal ob Ur­kunde oder Ver­waltungs­vorgang. Alles Weitere ergibt sich daraus.“


Was würden Sie Studieninteressierten mit auf den Weg geben? Welchen Rat würden Sie zum Studienbeginn erteilen wollen für alle, die später ebenfalls Ihren Beruf ausüben wollen?

„Die Archiv­sparten und Auf­gaben im Archiv­wesen sind so viel­fältig, dass es sich lohnt, während des Studiums bzw. im Rahmen von Prak­tika und Pro­jekten in möglichst viele Bereiche rein­zu­schnuppern, um heraus­zu­finden, in welchem Bereich man später arbeiten will.“